Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Abgrenzung von Befunderhebungsfehler und therapeutischer Aufklärungspflicht befasst.
Im Urteilsfall war eine radiologische Praxis dem Vorwurf ausgesetzt, Mammographie-Screenings seien fehlerhaft bewertet und erforderliche weitere Befunderhebungen unterlassen worden. Bei einer Brustuntersuchung zur Früherkennung einer Krebserkrankung hatte die Klägerin angegeben, ihre rechte Brustwarze sei seit etwa einem Jahr leicht eingezogen („Mamillenretraktion“). Der Radiologe bewertete die Brust jedoch als normal. Zwei Jahre später diagnostizierte ein Gynäkologe bei der Klägerin Brustkrebs. Es folgten Operationen, bei denen Karzinome und Lymphknoten entfernt wurden, Bestrahlungen und eine Chemotherapie. Die Klägerin argumentierte, bei korrektem Vorgehen wäre der Brustkrebs in einem Stadium ohne Lymphknotenbefall entdeckt und behandelt worden. Dann hätte es einer Chemotherapie nicht bedurft und die Anzahl der Bestrahlungen wäre geringer gewesen. Das Oberlandesgericht bejahte einen Befunderhebungsfehler des Arztes und verurteilte die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 € und zum Ersatz des materiellen Schadens in Höhe von 773,14 € zuzüglich Nebenkosten. Der BGH hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.
Hinweis: Ist die medizinische Lage nicht eindeutig, sollte der Arzt eine weitere Diagnostik durchführen. Hier war die Ursache der eingezogenen Brustwarze unklar. Im Sinne einer Krebsfrüherkennung hätte der Arzt die unklare Situation weiter aufklären müssen. Denn eine eingezogene Brustwarze kann eine Folgeeiner Brustkrebserkrankung sein. Bei der Diagnostik gilt: Lieber zu viel als zu wenig. Wegen übermäßiger Diagnostik ist bisher noch kein Arzt bestraft worden, auch wenn es im Einzelfall zu abrechnungstechnischen Problemen kommen kann.