Ist ein operierender HNO-Arzt, in dessen Praxis ein Kind nach einer Nasenoperation im Aufwachraum verstarb, verantwortlich? Diese Frage konnte nach voriger Verurteilung der verantwortlichen Narkoseärztin erst das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beantworten.
Ein neunjähriges Kind hatte sich in der Praxis eines niedergelassenen HNO-Arztes einer Operation unterzogen, um die Nasenatmung zu verbessern. Zur Durchführung der Narkose war eine Anästhesistin anwesend. Die vom HNO-Arzt durchgeführte Operation verlief völlig komplikationslos. Nach der Operation wurde das Kind, das noch nicht aufgewacht war, in einen Aufwachraum gebracht. Dort wartete bereits sein Vater, der in der Folgezeit bei dem Kind blieb. Nach kurzer Zeit machte der Vater den HNO-Arzt darauf aufmerksam, dass das Kind nicht mehr atme.
Trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen erlitt das Kind aufgrund mangelnder Sauerstoffversorgung schwere Hirnschädigungen, an deren Folgen es eine Woche später verstarb.
Die Anästhesistin wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie keine ordnungsgemäße kontinuierliche Überwachung der Sauerstoffsättigung während der Aufwachphase des Kindes sichergestellt hatte. Das gegen den operierenden HNO-Arzt und Praxisinhaber eingeleitete Strafverfahren wurde hingegen eingestellt. Die Mutter des Kindes strebte jedoch auch dessen Verurteilung wegen billigender Inkaufnahme einer mangelhaften Praxisorganisation an – vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht (OLG) ohne Erfolg. Das BVerfG sah den Sachverhalt jedoch ganz anders. Das OLG hätte sich auch mit einer den HNO-Arzt selbst treffenden Aufklärungspflicht bezüglich der mangelhaften Überwachung im Aufwachraum auseinandersetzen müssen. Das Gericht habe in diesem Zusammenhang wesentliche Aspekte der zur Verfügung stehenden Beweismittel (dem Praxisinhaber waren die organisatorischen Missstände seit Jahren bekannt) unberücksichtigt gelassen. Ein von mehreren Personen durchgeführter medizinischer Eingriff stelle regelmäßig mehr dar als die Summe voneinander getrennter ärztlicher Einzelleistungen. Gerade die Organisation der Zusammenarbeit sei trotz des Vertrauensgrundsatzes als notwendige Bedingung einer Zusammenarbeit ein wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Sorgfaltspflichten.