Das Oberlandesgericht München (OLG) hat entschieden, wer haftet, wenn das Pflegepersonal einer Intensivstation wichtige ärztliche Weisungen nicht ausführt.
Die interne Anweisung auf einer Intensivstation besagte, dass vom Pflegepersonal erfasste EKG-Befunde für den behandelnden Arzt direkt sichtbar vorne in der Behandlungsakte abgelegt werden sollten. Zudem sollten EKGs in der Behandlungsakte der Patienten vermerkt werden. Eine Krankenschwester versäumte jedoch, die EKG-Befunde einer 43-jährigen Patientin entsprechend abzulegen und zu vermerken, dass das EKG, das einen reaktionspflichtigen Befund zeigte, durchgeführt worden war. Der behandelnde Oberarzt führte daraufhin seine Visite durch, ohne die auffälligen EKG-Befunde zu kennen. Diese hätten aber ein sofortiges ärztliches Handeln und das Verbleiben der Klägerin auf der Intensivstation erfordert. Stattdessen wurde sie auf die Normalstation verlegt, wo sie einen Herz-Kreislauf-Stillstand und eine Hirnschädigung erlitt.
Die Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers zahlte der Patientin ein Schmerzensgeld von 150.000 € sowie Verdienstausfälle. Die Patientin und ihr Ehemann verklagten den Klinikträger jedoch auf Zahlung eines weiteren Schadenersatzes und eines höheren Schmerzensgeldes. Die verklagte Klinik hielt sich nicht für verantwortlich. Eine Falschbehandlung habe es nicht gegeben. Das Landgericht wies die Klage als unbegründet ab. Hier liege lediglich eine Pflichtverletzung des nichtärztlichen Personals vor, das das EKG nicht rechtzeitig in die Patientenakte gegeben habe. Dabei handle es sich nicht um einen Organisationsfehler. Die Berufung der Patientin gegen dieses Urteil war überwiegend erfolgreich. Das OLG verneinte zwar ebenso einen Behandlungsfehler des Oberarztes, der auf Basis der ihm vorliegenden Informationen die richtige Entscheidung getroffen habe. Es bejahte aber ein grob fehlerhaftes Verhalten des Pflegepersonals. Das nichtärztliche Personal habe gegen die mündlich erteilte Weisung verstoßen. Das fahrlässige Handeln der Krankenschwester sei dem Krankenhausträger zuzurechnen. Dieser muss der Klägerin ein Schmerzensgeld von 225.000 € für die erlittene hypoxische Hirnschädigung zahlen, den erlittenen Verdienstausfall ersetzen und für alle künftigen Schäden aufkommen.