Wenn Freiberufler ihre Praxis verkaufen, können sie den dabei entstehenden Veräußerungsgewinn mit einem ermäßigten Einkommensteuersatz versteuern. Hierfür müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
Zum einen müssen die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit (z.B. der Patientenstamm) entgeltlich und endgültig auf den Käufer übertragen werden. Zum anderen muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen. Ein selbständig tätiger Steuerberater, dessen Fall sich ohne weiteres auf selbständig tätige Ärzte und Zahnärzte übertragen lässt, ist vor dem Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich über diese Voraussetzungen „gestolpert“.
Er hatte seine Kanzlei im Jahr 2008 für 700.000 € an eine Steuerberatungsgesellschaft verkauft. Vereinbart war, dass der gesamte Mandantenstamm auf die Käuferin übergeht und der Steuerberater die Mandanten als freier Mitarbeiter der Käuferin auch weiterhin betreut. Später kam es jedoch zu einem Zerwürfnis zwischen den Parteien, so dass der Steuerberater 22 Monate nach dem Verkauf seiner Kanzlei wieder eine Einzelpraxis in derselben Stadt eröffnete und den überwiegenden Teil seiner ehemaligen Mandantschaft dorthin mitnahm.
Das Finanzamt ging davon aus, dass der Veräußerungsgewinn aus dem Praxisverkauf wegen der Wiederaufnahme der freiberuflichen Tätigkeit nicht ermäßigt zu besteuern sei. Der Steuerberater hielt dem unter anderem entgegen, dass das Zerwürfnis und die daraus resultierende Wiedereröffnung seiner Praxis planwidrig gewesen seien. Solche Umstände dürften nicht zu seinen Lasten gehen.
Der BFH teilt die Auffassung des Finanzamts. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit schließe eine ermäßigte Besteuerung auch aus, wenn sie ursprünglich nicht geplant gewesen sei. Maßgeblich sei allein, ob es objektiv zu einer endgültigen Übertragung der wesentlichen Praxisgrundlagen gekommen sei. Das war hier nicht der Fall.
Eine Zeitspanne von 22 Monaten reiche nicht aus, um von einer definitiven Übertragung des Mandantenstamms auf die Käuferin auszugehen. So habe der Steuerberater nach dem Verkauf noch als freier Mitarbeiter für die Käuferin gearbeitet und seine bisherigen Mandanten weiterhin – wenn auch im Namen und auf Rechnung der Käuferin – betreut. Diese fortdauernden Kontakte hätten dazu geführt, dass sich die Mandantenbeziehungen zur Käuferin nicht verfestigt hätten, so dass hier nicht von einer definitiven Übertragung habe ausgegangen werden können.
Hinweis: Im Vorfeld eines Praxisverkaufs sollten Sie schon frühzeitig unser Beratungsangebot nutzen, um steuerlich auf der sicheren Seite zu sein.